Januar:
Der nette Herr der Rentenversicherung, mein Berater, analysiert mit mir die
Ergebnisse des Assessmentcenters. Klar ist: ich bekomme eine Ausbildung
finanziert, und die Ergebnisse sind so gut, dass ich mir den Ausbildungsbereich
aussuchen kann:
CTA, Produktdesign, Steuerfach, Büro, IT- Systemtechniker, Elektroniker …
Die rein logische Entscheidung: Steuer.
Sorgt für etwas Aufregung im Freundeskreis.
Meine Noch-Filialleiterin meldet sich schriftlich bei mir und *bittet* mich zum
Gespräch. Sie stellt ein Ultimatum. Beides müsste ich nicht beachten. Ich bin
arbeitsunfähig, die Rechtslage ist hier recht klar. Aber ich will keinen Streit
und schreibe einen netten Brief, in dem ich einige Dinge klarstelle.
Was mich ärgert: Es ist die erste persönliche Post meines Arbeitgebers nach über
12 Monaten.
Weder habe ich Krank gefeiert, noch habe ich es mir raus gesucht, dass sich
zwei Bandscheiben komplett verabschiedet haben und auch, dass sich das rechte
Knie… nun ja.
Die Worte des Reha Arztes klingen mir noch im Ohr: Wollen Sie eigentlich im
Rollstuhl landen?
Nein möchte ich nicht:

Februar:
Nichts Besonderes. Pläne schmieden. Ich muss mir etwas für die Kater einfallen
lassen, da der Ausbildungsgang nur im Schwarzwald stattfindet. Also WG.
Die Ausbildung startet ab Juli.
Ich werde wohl eine WG gründen. Gehe meinem Vermieter um den Bart, setze
Anzeigen. Warte.
Und ich mache den OP Termin für das Entfernen der Platte im Bein fest. Anfang Mai
kommt das verhasste Ding raus. Endlich.
März:
Risse in manchen Freundschaften tun sich auf. Unverständnis kommt auf, weil ich
mich mit Ende 40 nochmal in eine Ausbildung stürze und dann auch noch im Schwarzwald!
Steuer!
Statt es zu akzeptieren und mich zu unterstützen werde ich angegiftet. Ich ziehe
mich zurück. Es tut
weh.
April:
Die Zusage des Berufsförderungswerkes im Schwarzwald. Ich kann es irgendwie gar
nicht fassen. Parallel dazu der Brief der Krankenkasse, dass das Krankengeld
ausläuft. Ich mache einen Termin beim Arbeitssamt aus: Mai/Juni werde ich wohl
von der *Stütze* leben müssen.
Den Termin habe ich gleich, auch problemlos die Abwicklung. Da es nur zur
Überbrückung ist bekomme ich das Arbeitslosengeld sofort genehmigt.
Noch bin ich nicht gekündigt.
Habe jetzt auch das Go zu kündigen, ohne eine Sperrung befürchten zu müssen.
Die Kündigung ist schnell geschrieben.
Nach 23 Jahren verlasse ich das Unternehmen. Und bekomme sehr schnell Antwort.
Unpersönlich. Ich glaube beide Seiten sind erleichtert. Aber enttäuscht bin ich
schon. Manchmal ist es besser, wenn sich die Wege trennen.
Wahlkampf: Wir Stadtisten werden
zum ersten Mal zur Wahl antreten. Also Plakate hängen, etc. Ich stehe auch auf
der Liste. Eine aufregende du aufreibende Zeit, die Spaß und Ärger bringt. Und
wieder Verluste im *Freundeskreis.* Ich definiere das Wort Freundschaft für
mich neu.
Mai.
Meinen Geburtstag verbringe ich alleine. Und genieße es. Zwei Tage danach die
letzte OP von vielen. Meine Krücken habe ich dabei. Ich habe das erste Mal
Bammel vor einer OP. Es waren einfach zu viele seit November 2012. Insgesamt
sind es, mit dieser letzten, 5 Stück. Ich will nicht mehr.
Zwei Tage danach darf ich davon humpeln. Es fühlt sich das erste Mal seit einem
Jahr normal an. Innerlich frohlocke, tanze und singe ich.
Und die Stadtisten haben es
geschafft. Wir haben tatsächlich einen von uns in den Gemeinderat
*reinbekommen.*- Die Anwürfe werden heftiger – gegen die Stadtisten. Viele
verstehen unser Anliegen einfach nicht.
Juni:
Urlaub. Ja Urlaub. Auf *Staatskosten.* Ich bin nicht mehr krankgeschrieben. Ich
bin ganz offiziell arbeitslos. Fühlt sich seltsam an. Aber auch gut.
Der Riss in mancher Freundschaft scheint nicht mehr zu kitten zu sein. So
schmerzhaft es ist – ich kann es gut akzeptieren. Scheint das Jahr der
Abschiede zu werden.
Erfreulich ist: Tatsächlich habe ich eine perfekte Mitbewohnerin gefunden. Die
Kater lieben sie jetzt schon. Aber sie kann erst ab Oktober einziehen. Es müssen
drei Monate überbrückt werden.
Und hier kommt das festteste Dankeschön ever: Markus, ohne dich wäre ich
verloren gewesen. Danke, Danke, Danke. Er hat drei Monate lang meine Tiger
gefüttert, bespasst und geschmust, während ich im Schwarzwald sie Schulbank gedrückt
habe.

Juli:
Das Abenteuer beginnt. Zusammen mit 27 anderen fange ich meine Ausbildung an,
beziehe ein Internatszimmer, finde eine Mitfahrgelegenheit. Erst Tage später
realisieren wir, dass wir tatsächlich in der gleichen Ausbildungsgruppe sind.
Bald gibt es die Redewendung: “Was im Auto gesprochen wird bleibt im Auto.“ Wir
sind so verschieden wie Tag du Nacht und Freunden uns trotzdem an.
Ende des Monats haben wir schon wieder Urlaub. Drei Wochen.
August: Na super, von drei Wochen
frei liege ich zwei Wochen flach. Leider nicht das letzte Mal. Der Schwarzwald
zeigt sich von seiner ekeligsten Wetterseite. Es regnet, wir sind so hoch, dass
wir in den Wolken *wohnen*. Die Eingewöhnungs-, Umgewöhnungsphase ist für alle
hart. ES kommt zu ersten heftigen Spannungen.
September: Die ersten Klausuren.
Ein schöner Frühherbstmonat. Mich zieht es in den Wald. Ich fange an mich in
den Schwarzwald zu verlieben. Schömberg wird meine zweite Heimat und ich
überdenke mein Stadtleben.
Oktober: Das Jahr rennt nur so an
uns vorbei. Die ersten Klausuren sind geschrieben. Unsere Klasse ist
geschrumpft. Noch gibt es Spannungen, aber es wird besser. Wir gewöhnen uns
aneinander.
Und wir lernen mit dem Lernpensum umzugehen. Es fließen manche Tränen. Und wir
fangen an uns gegenseitig zu stützen.
Meine Mitbewohnerin zieht ein. Markus kann endlich durchschnaufen. Die Kater sind
frisch verliebt und ich eifersüchtig. Ende des Monats habe ich schon wieder
Ferien. Eine Woche. Dringend nötig.
Anfang des Monats war ich schwer erkältet und ich brauche die Ruhe dringend.
November:
Ein ruhiger Monat mit vielen Klausuren. Grau. Es wird früh dunkel. Mein Körper
stellt sich auf den Wintermodus um.
Dezember.
Huch, wo ist das Jahr hin. Ich trage eine Gipsschiene. Habe ich es doch wieder
geschafft mir etwas zu brechen. Diesmal zur Abwechslung mal das rechte
Handgelenk. Allerdings nur angebrochen. Ich schreibe trotzdem die Klausuren
mit.
Lena ist zu Besuch bei ihrer Mutter und wird krank. Markus springt wieder
einmal für die Kater ein.
Also kann ich ganz beruhigt nach Schömberg fahren.
Nach der letzten *Leistungsüberprüfung* habe ich einen Notenschnitt von 1.54.
Ich bin ein kleines bisschen stolz, dass ich alte Kuh so gut mitkomme.
Weihnachten kommt und ich verbringe die Tage mit meinen Katern. Es sind ruhige
Tage der stillen Einkehr, der Ruhe und des Glücks.
Am letzten Weihnachtstag fängt es an zu schneien. Ich bin im Glück. Schlafe
viel. Treffe liebe Menschen und genieße das allein sein der restlichen Zeit.
Ich bin bei mir angekommen.

Es war kein leichtes Jahr, aber es war ein gutes Jahr. Es war ein Jahr des
Abschieds. Und ein Jahr des Neubeginns.
ES ist das erste Jahr seit langen dem ich sagen kann: ich lasse dich nicht
gerne gehen. Aber was muss das muss. Und wenn es Zeit ist zu gehen, dann ist es
eben Zeit.